Coronaimpfung am ArbeitsplatzImpfpflicht im Arbeitsverhältnis?
17.05.21Wie setzt sich das Impfen am Arbeitsplatz um? Rechte und/ oder Pflichten zu impfen?
Im Zuge der fortschreitenden Durchimpfung der deutschen Bevölkerung stellte sich bislang vorwiegend die Frage, wer wann impfberechtigt ist. Im Zuge einer kleinen aber doch nicht unbedeutenden Minderheit der Bevölkerung, welche die Gefahren des Corona-Virus verleugnet oder kleinredet, besteht in zahlreichen betrieblichen Zusammenhängen zunehmend aber auch die Frage, inwieweit eine Pflicht besteht, sich zu impfen.
Diese arbeitsrechtlichen Fragestellung ist Gegenstand der Diskussion im juristischen Fachkreisen.
Allgemeine Impfpflicht am Arbeitsplatz?
Eine allgemeine Impfpflicht folgt nicht aus der Coronavirus Impfverordnung (CoronaImpfV vom 18.12.2020-Bundesanzeiger AT 21.12.2020. V3). Angesichts der Grundrechtsbedeutung dieses Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit wäre eine Impfpflicht auch nur durch ein formelles Gesetz durchsetzbar. Ein solches Gesetz ist grundsätzlich auch verfassungskonform denkbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Jahr 1959 diese Frage im Zusammenhang mit. Schutzimpfungen sowie vor kurzem noch im Hinblick auf militärische Basisimpfungen für Soldaten auf der Grundlage von § 17a Abs. 2 Satz 1 SoldatenG bejaht.
Auch aus dem Infektionsschutzgesetz folgt über § 20 Abs. 6 Satz 1 IfSG eine gesetzliche Grundlage, wonach "bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder an deren Maßnahmen in der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheiten mit klinisch schwerer Verlaufsform auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist ". Daraus folgt z. B. die Pflicht für schulpflichtige Kinder und Schulen bzw. Betreuungseinrichtungen für die dort tätigen Personen über das Masernschutzgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hält diese gesetzliche Regelung wohl für verfassungskonform
Für Arbeitgeber folgt hieraus nicht, dass Sie gegenüber Beschäftigten sich auf die Vollziehung einer öffentlich-rechtlichen Impfpflicht allgemein berufen können.
Gewöhnliche Arbeitsverhältnisse
Denkbar ist, dass eine Impfpflicht aus dem allgemeinen arbeitgeberseitigen Direktionsrecht (§ 106 Gewerbeordnung, § 4 Nr. 7 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG sowie § 241 Abs. 2, 242 BGB als arbeitsvertraglichen Nebenpflicht durchsetzbar ist. Eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers müsste nachvollziehbar im Rahmen einer gebotenen Interessenabwägung ausgesprochen werden. Innerhalb dieser Interessenabwägung sind Grundrechte, gesetzlichen Wertentscheidungen, allgemeine Bewertungsgrundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Innerhalb dieser Interessenabwägung spricht für den Arbeitgeber die nach Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1., 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz geschützte unternehmerische Freiheit und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Eine Belegschaft, die durchgehend geimpft ist, produziert keine finanziellen Belastungen und Einschränkungen. Die Organisation und Verteilung von Schichtdiensten kann dauerhaft sichergestellt werden zwischenzeitlich eingeführte Hygienemaßnahmen, die die Effizienz und die Rentabilität mindern, können wieder aufgegeben werden.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Eine Impfpflicht kann darüber hinaus aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers allen Beschäftigten (§ 618 BGB, § 3 ArbSchG) folgen. Dies hat noch mehr Bedeutung, wenn im Betrieb Arbeitnehmer vorhanden sind, die besonders gefährdet sind.
Massiver Grundrechtseingriff bei Arbeitnehmern
Arbeitnehmer können gegenüber einer solchen Weisung den bei jedem ärztlichen Eingriff vorliegenden massiven Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz) einwenden sowie ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz.
Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere das Risiko eines schweren Krankheitsverlauf bei dem betroffenen Arbeitnehmer und seinen Kollegen sowie die Letalitätsrate zu beachten, die in Deutschland jedenfalls bislang moderat ist.
Daher spricht viel dafür, dass die Frage der Impfung von Arbeitnehmern gegen SARS-Covid2 im Grundsatz dem Teil der persönlichen Lebensgestaltung zuzuordnen sind und damit einen arbeitgeberseitigen Weisungsrecht entzogen.
Besondere Arbeitsverhältnisse
Anders mag dies im Besonderen Arbeitsverhältnissen zu betrachten sein, die beinhalten, dass Arbeitnehmer mit besonders gefährdeten Personen in Betracht kommen, die bei einer Ansteckung ernsten Gefahren ausgesetzt sind (beispielsweise Betreiber eines Krankenhauses oder eine Altenpflegeeinrichtung.. Daher spricht viel dafür, dass Menschen, die auf der Intensivstationen, Notaufnahme oder in besonders vulnerablen Heil- und Pflegeeinrichtungen tätig sind, möglicherweise aufgrund eines arbeitgeberseitigen Weisungsrechts zur Impfung verpflichtet sind.
Kündigung ohne Impfung?
Eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen besonderer Pflichtverletzungen würde voraussetzen, dass das eine arbeitgeberseitige Weisungen zur Impfung zulässig ist. Eine solche Konstellation ist derzeit schwerlich vorstellbar. Hier wird eine verhaltensbedingte Kündigung in den seltensten Fällen durchsetzbar sein.
Personenbedingte Kündigungen?
Anders ist die Frage, ob eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommt, weil der Arbeitnehmer ohne Impfung seine Eignung verliert, die arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Bei derzeitiger Gesetzeslage ist es aber so, dass ein Beschäftigungsverbot ohne erfolgte Corona-Impfung zumindest derzeit nicht besteht und damit die Verfolgung und die Erreichung des Vertragszwecks aus dem Arbeitsvertrag bei Unterbleiben der Impfung nicht eindeutig gestört wird. Will der Arbeitnehmer hier aber eine Impfung umgehen, so wird er sich mit der Weisung des Arbeitgebers auseinandersetzen müssen, Schutzausrüstung und regelmäßige Tests zu akzeptieren, die dem Zweck dienen, besonders vulnerable Personengruppen zu schützen, mit denen der Arbeitnehmer in Kontakt kommt.
Betriebsbedingte Kündigungen?
Diskutiert wird jedoch, ob der Arbeitgeber eine unternehmerische Entscheidung treffen kann, ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Impfung zur Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten zu machen, insbesondere bei Pflegeheimen und Ärzten auf der Intensivstation. Diese unternehmerische Entscheidung unterliegt lediglich der gerichtlichen Missbrauchskontrolle, der sie in vielen Fällen standhalten dürfte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese unternehmerische Entscheidung einheitlich, konsequent und nachhaltig in Betrieb auch umgesetzt wird und nicht nur im Einzelfall. Auch hier stellt sich dann aber die Frage, ob eine Versetzung eines Arbeitnehmers, der sich nicht impfen lassen will, innerhalb des Betriebes noch denkbar ist, oder nicht.
Vorteile gegen Impfungen
Fraglich kann dann sein, ob die Gewährung bestimmter Vorteile (Freistellung von der Arbeit für die Impfung oder Zahlung eines Impf-Bonus zulässig wäre. Grundsätzlich würde hier eine Ungleichbehandlung von geimpften und Ungeimpften vorliegen. Viel spricht aber dafür, dass solche Maßnahmen sachlich gerechtfertigt sind und damit keine Ungleichbehandlungs-Ansprüche von Ungeimpften zugelassen sind. Entsprechende gerichtliche Bewertungen, die man vergleichend heranziehen kann, gibt es insofern schon im Hinblick auf Prämien für Nichtraucher oder Bezuschussung von gesundheitsfördernden Maßnahmen (Fitness) durch Arbeitgeber.
Eine andere Frage ist, ob beispielsweise der Zugang zu betrieblichen Gemeinschaftseinrichtungen oder die Frage, ob eine Maske zu tragen ist und Abstandsregeln einzuhalten sind, oder nicht von der Frage abhängig gemacht wird, ob ein Arbeitnehmer geimpft ist oder nicht. Viel spricht auch hier dafür, dass derartige differenzierten Handlungen von Arbeitnehmern umsetzbar sind.
Wir können davon ausgehen, dass innerhalb des kommenden Jahres noch einige arbeitsgerichtliche Entscheidungen vorliegen werden, die mehr Klarheit in die Rechtslage bringen.
Ansprechpartner im Arbeitsrecht
Ansprechpartner bei Brink und Partner in Flensburg für den Bereich Arbeitsrecht im Hinblick auf Corona/SARS Covid-2 sind Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Jochen-Patrick Kunze sowie Rechtsanwältin Sandra Martensen